Badisches Amt Steinfeld

Von: Martin Loschert

1 Ein eigenes Ländchen mit elf Orten

Das Obere Tor in Steinfeld mit der ehemaligen gemeindeeigenen Dorfschenke (Foto um 1930 von Franz Schaub). Im Verzeichnis des Klosters Neustadt von 1606 wird diese Stelle „vorm obern Thor beym Wirtshaus“ genannt. Das Gasthaus hieß später „Zum Ross“.

Großherzoglich-badisches Amt: Vor 200 Jahren wurden Steinfeld und zehn andere Orte wieder fränkisch. Wie es überhaupt zur Fremdherrschaft durch Baden im Jahre 1806 kam, erzählt Teil 1 dieser Geschichte.

Vor 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus. Der Grund: Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. „Man versprach sich von der Regierungsänderung goldene Berge“, schrieb Peter Apfelbacher, ehemals langjähriger Lehrer in Karbach und Bezirksschulrat, über 100 Jahre später.

„Soll man es für möglich halten, dass die Dörfer Greußenheim, Birkenfeld, Karbach, Zimmern, Erlach, Pflochsbach, Sendelbach, Steinfeld, Waldzell, Ansbach und Roden sowie das Kloster Mariabuchen in der Zeit von 1806 bis November 1819 ein eigenes ,Ländchen‘ unter dem Namen ,Amt Steinfeld‘ bildeten und zum Staate ,Baden‘ gehörten, während die umliegenden Nachbargemeinden Bestandteile teils des Großherzogtums Würzburg, teils des Fürstentums Aschaffenburg waren?“ Das fragte sich Apfelbacher in der Einleitung seines Berichts über „Das vormalige Großherzoglich-badische Amt Steinfeld bei Lohr am Main“.

Karte von Johann Gottfried Tulla: „Charte des Großherzogtums Baden 1814“ aus dem Landesarchiv Baden-Württemberg. REPRO: MARTIN LOSCHERT

Wie es zum Badischen Amt Steinfeld kam

Jahrhundertelang gehörten die genannten elf Dörfer dem Fürstbistum Würzburg an. Nach Apfelbacher war „die Mehrzahl der Fürstbischöfe Würzburgs von den aufrichtigsten Bestrebungen beseelt, ihr Volk glücklich zu machen“, gemäß dem Sprichwort „Unterm Krummstab (= Bischofsstab) ist gut leben“. Doch dann „zerriss ein schweres politisches Gewitter von Frankreich her das fest gefügte, aus 54 Ämtern bestehende geistliche Fürstentum“. Kaiser Napoleon verschob nach seinen militärischen Erfolgen die Landesgrenze zwischen Frankreich und Deutschland an den Rhein und enteignete die geistlichen Fürstentümer, darunter Würzburg. Die weltlichen Fürsten in Deutschland erhielten zur Entschädigung für Gebiete, die sie jenseits des Rheins an Frankreich abtreten mussten, die ehemals kirchlichen Gebiete.

Der Großteil des Hochstifts Würzburg wurde 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss dem Kurfürstentum Bayern zugeschlagen, der Rest ging an verschiedene Fürstentümer. Fürst Löwenstein-Wertheim-Rosenberg erhielt als Entschädigung für abgetretene Gebiete im Elsass unter anderem das Amt Rothenfels und die ehemaligen Besitztümer des Klosters Neustadt.

Im Februar 1806 kam es nach dem Zerfall des deutschen Reiches und dem Rücktritt des deutschen Kaisers Franz II. zu weiteren Besitzveränderungen. Fürst Löwenstein verlor die volle Staatsgewalt über das Amt Rothenfels.

Die elf Dörfer links des Mains gingen in den Besitz des Großherzogs von Baden über, als Belohnung für dessen Beitritt zum Rheinbund, einem Bündnis deutscher Staaten mit Napoleon. (Die Gebiete des ehemaligen Amtes Rothenfels auf der Spessartseite mit dem Kloster Neustadt und Lohr wurden dem Fürstentum Aschaffenburg und später dem Großherzogtum Frankfurt zugesprochen).

Bald darauf übernahm der Großherzog von Baden die Gerichtsbarkeit, bildete aus den elf Ortschaften links des Mains das Badische Amt Steinfeld, das dem zweiten badischen Landamt Wertheim zugeteilt wurde. Der Sitz der Verwaltung verblieb in der Burg Rothenfels. Das badische Amt Steinfeld als Exklave hatte keine direkte Landverbindung zu Baden. So gehörten etwa Steinfelds Nachbardörfer Hausen, Rohrbach, Stadelhofen und Urspringen alle zum Großherzogtum Würzburg.

Den Verwaltungssitz im Amt Steinfeld bekam Karbach. Es war der einzige Marktflecken und die größte unter den elf Gemeinden. Dort hielten badische Beamte aus Wertheim auch regelmäßig Gerichtstage ab.

„Unersetzliche Werke sinnlos vernichtet“

„Böse Beispiele verderben gute Sitten“: Mit diesen Worten beklagte Apfelbacher die Auswirkungen der verwickelten Besitzveränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die bösen Beispiele waren „die große Härte der mächtig gewordenen Großfürsten“, mit der sie „die kleinen Fürsten beraubten“, ebenso die „mit großer Rücksichtslosigkeit durchgeführte Aufhebung des nahe gelegenen Klosters Neustadt am Main“, das in jedem der Dörfer des Amts Steinfeld Güter und einen Klosterhof besaß. Dabei seien „unersetzliche Werke der Kunst, Wissenschaft und gewöhnlicher Art sinnlos vernichtet (...) worden“.

Daraus folgerte Apfelbacher: „All dies zeitigte auch im Landvolk gefährliche Gedanken“, das feststellen musste, „wie alte Rechte der Gewalt weichen mussten und dass Verträge, Urkunden und Herkommen aus alter Zeit keine Bedeutung mehr hatten (...) Die Begriffe von Eigentum und Recht wurden erschüttert. Die Ehrfurcht vor Gesetz und Eigentum schwand auch beim gewöhnlichen Volke. Diebstähle aller Art beunruhigten die Dörfer und besonders die Einöden.“

„Die sehr lang gestreckte Grenze unseres schmalen und dabei sehr kleinen badischen Gebietsteilchens bot gewissen Leuten, die ernten wollten, wo sie nicht gesät hatten, allerlei Vorteile. Entlassene Soldaten und Kriegsinvaliden, von denen damals infolge der unaufhörlichen Kriege unter Napoleon auch unsere Gegend sozusagen überschwemmt war, verbanden sich mit allerlei Gesindel, überfielen kleinere Dörfer und einsam liegende Mühlen (...), ohne fürchten zu müssen, erwischt zu werden; denn bis ein badischer Gendarm eintraf, waren die Halunken längst über die Grenze ins Würzburgische geflüchtet. Dort war dem badischen Sicherheitswächter jede Amtshandlung untersagt, wie auch umgekehrt der würzburgische Landjäger rat- und tatenlos dastand, wenn ein Missetäter (...) ins badische Ländlein gelangte (...) Schlupfwinkel fanden die Galgenvögel da und dort in Steinbrüchen, Ziegelhütten und Höhlen“.

Anekdoten aus großherzoglich-badischer Zeit

Aus den Jahren, als Steinfeld und zehn weitere fränkische Orte zu Baden gehörten, ist manch amüsante Geschichte überliefert, so auch diese von einer Fürstenjagd

Peter Apfelbacher (geb. 1859, gest. 1940). REPRO: JOSEF LAUDENBACHER

Der Bezirksschulrat und Heimatforscher Peter Apfelbacher, der eine Abhandlung über das von 1806 bis 1819 bestehende Großherzoglich-badische Amt Steinfeld schrieb, würzte seinen Bericht mit einigen Anekdoten, die uns einen Einblick in das Verhältnis zwischen den hohen Herren und den Untertanen geben.

Die erste Anekdote erzählt von einer Jagd, bei der die Bauern als Treiber eingesetzt waren: Bei einer solchen Treibjagd saß ein Fürst von Wertheim unter einem Birnbaum, den er aber für einen Apfelbaum hielt. Vom Glück begünstigt, brach vor ihm ein prächtiger Rehbock zusammen. „Sehen Sie, meine Lieben“, sprach er nicht ohne Eitelkeit zu den herbeigeeilten Jagdgästen und Dienern, „unter diesem Apfelbaume erlegte ich vor vier Jahren ebenfalls ein so schönes Tier wie dieses; der Apfelbaum ist ein Glücksbaum!“.

Der Karbacher Fluraufseher konnte sich da nicht bremsen: „I will grad nit sag, fürstliche Durchlaucht, es wär vor vier Jahren gerad a Bock gwesn, aber dös wäss ich gwiss, der Bam da it za Lebtag a Birnbaum und ke Apfelbaum“. Ob dieser unnötigen, plumpen Aufklärung kicherte verstohlen mancher Jagdgast; die umstehenden Treiber aber sahen an der ernsten Miene Seiner Durchlaucht, dass der Flurschütz ebenfalls einen Bock, freilich bloß mit seinem gefürchteten Mundwerk geschossen hatte.

Als Schusslohn erhielt der Vorlaute einen Tag Arrest vom Herrschaftsrichter zugesprochen, abzusitzen in Rothenfels „wegen zu Tage gelassener impertinence“ (Ungebührlichkeit). So hatte der voreilige Mann Gelegenheit bekommen, in der Stille der Arreststube nachdenken zu können über das Sprichwort: „Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen essen.“

Von einer Schulprüfung in Roden – damals hatten noch die Pfarrer den Unterricht der Volksschullehrer zu besuchen und zu bewerten – berichtet eine zweite Anekdote: Da Schulinspektor und Dechantpfarrer Franz Kraus aus Pflochsbach „die Hochachtung des Volkes gegen die vorgesetzten Behörden und Lehnsherren schon in der Schule gepflegt wissen wollte, (...) paukten die Lehrer den Kleinen die Namen der nächststehenden Ämter und ihrer Vorstände ein.“

Als Visitator Kraus in der Religionsstunde die Frage stellte: „Wer ist der Herr des Himmels und der Erde?“, platzte der erste in der Bank heraus: „Der Herr des Himmels und der Erde ist der gnädige Herr Herrschaftsrichter in Rothenfels“. Da nun die Klassenkameraden am Kopfschütteln und Lächeln des Inspektors merkten, dass die Antwort nicht stimmte, suchten sie den Fehler zu verbessern. So trompeten sie einer nach dem anderen heraus: „Der Herr des Himmels und der Erde ist unser wohllöblicher Dorfschulz – der Obersteuereinnehmer in Karbach – der hochgelehrte Dorfchirurg und Bader Schuhmann ebenfalls in Karbach – der Herr Direktor in Wertheim – der Allerdurchlauchtigste Fürst und Herr von Baden!“

Ja, die Namen und Ämter waren so gut eingedrillt worden, dass die gleichen Antworten sogar gegeben wurden, als später in der Vaterlandsstunde gefragt wurde, wer das Schießpulver erfunden habe. Da kam aber der Rodener Magister denn doch in Aufregung und schrie die Rangen an: „All die genannten Männer haben das Pulver nicht erfunden, wenn es auch schon ein Badener war, nämlich der Mö-, Mö,...“ „...der Mönch Berthold“, ergänzten die Schüler.

Als die badische Regierung bald darauf von der „absonderlichen Affäre in Roden Kenntnis erhalten“ hatte, verlangte sie zu wissen, ob der Schullehrer bei seinen Erklärungen über den Erfinder des Pulvers die Herren verspotten wollte. Erst als Schulinspektor Kraus versicherte, das sei mitnichten so und der Lehrer sei „von der ehrfurchtsvollsten Gesinnung gegen Staatsoberhaupt und Höchtsdero getreuen Diener angefüllet“, wich „das Gewitter von Roden, das wochenlang darüber hing“.

2 Fron und Zehnt für die hohen Herren

Steinfeld war früher von einer bis zu drei Meter hohen Dorfmauer und vier „Thoren“ sowie im Westen durch den Hofgraben umgeben. Das Foto zeigt ein Stück der Dorfmauer (um 1930) unterhalb der Würzburger Straße. Heute stehen davon nur noch Reste. FOTOS: FRANZ SCHAUB

Badisches Amt Steinfeld: „Es gab nichts zwischen Himmel und Hölle, was nicht mit einer Abgabe belastet war.“ Das Elend der Bauern beleuchtet Teil zwei unserer Serie.

Vor 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus. Der Grund: Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. Vorher hatte mancher arg leiden müssen, geht aus den Berichten des langjährigen Karbacher Lehrers Peter Apfelbacher hervor. Auch zwischen den Dörfern gab es Reibereien. „Sehr belästigend wirkten damals die vielen Zollschranken für alle erdenklichen Erzeugnisse,„ berichtet Apfelbacher. So musste zum Beispiel ein Häfner aus Hafenlohr, der seine Waren auf dem Markt in Karbach verkaufen wollte, Zölle entrichten. Die Einhebung der Zölle und Nebengebühren „wurde meist mit großer Strenge betätigt“. Jedes der elf Dörfer hatte seinen eigenen Zoll- und Verzehrsteuer-Einnehmer, Karbach und Steinfeld zudem jeweils einen Obereinnehmer, „der stets aus einer besseren Familie stammte und in hohem Ansehen stand, obschon man ihn eigentlich nicht recht leiden mochte, weil er gar zu sehr auf badischer Seite stand. Die badischen Steuersätze lagen zudem um die Hälfte höher als die in Franken“.

Das badische Amt Steinfeld 1806 bis 1819

Spöttereien zwischen Dörfern

Die Unterschiede der politischen Verhältnisse führten zwischen den Bewohnern von Nachbardörfern zu Sticheleien und Reibereien. So neckten sich die Badener und Franken auf Jahrmärkten oder an Kirchweih gerne mit Versen, von denen Apfelbacher einige Beispiele anführt. „Die zufällig fränkisch gebliebenen Billingshäuser rieben den zwangsweise badisch gewordenen und zum Tanzvergnügen erschienenen Birkenfeldern mit fideler Musikbegleitung folgendes Lied unter die Nase:

„In Baden liegt das Birkenfeld,
Das macht so stolz ihr'n Kopf.
Sie trink‘n bad'schen Erdbirnschnaps
Und zerr'n einander beim Schopf.
Ein jeder führt sein‘ stolzen Gang,
Und thut gewaltig g'scheit!
Ein jeder will der Höchste sein,
Veracht‘ die and're Leut.
Ihr Kirchturm aber, der ist kle,
Es fehlt auf ihm ein Wort.
Ich mein halt so: Ihr Gockelhahn,
der wär‘ der Höchst‘ im Ort!“

Der Vers der würzburgischen Urspringer für ihre badischen Nachbarn aus Ansbach lautete so:

„Es Osbi, es Osbi,
dös leit so olber am Re.
Und wenn der Schulz `n Seufzer lässt,
so hört's die ganz Gemee!“
(Anmerkung: Böse Mäuler sagten statt Seufzer
meist etwas anderes).

Die Karbacher trugen den Spitznamen „badische Schecken“ oder kurz „Schecken“, weil sie meist Scheckvieh hielten, das sie auf den Viehmärkten in Wertheim ankauften. Derartige Uzereien färbten auch auf die Schulbuben ab. Die Hafenlohrer Buben schrien beim Baden im Main hinüber: „Ihr Korbier badische Saure-Milch-Bauer!“ Die prompte Antwort der Karbacher: „Wir fürchten uns nit vor euch dürre Dünnsuppenlöffler!“

Auch die nur ein Kilometer voneinander entfernten Dörfer Steinfeld und Hausen gehörten zu verschiedenen Herrschaftsgebieten. Wie die älteren Zeitzeugen noch wissen, blieb es da nicht bei Neckereien. Noch bis in die 1950er Jahre hinein kam es auf den zwischenliegenden Wiesen zu regelrechten Schlägereien zwischen den „Steefelder Russe“ und „Haüsemer Türke“. Diese Raufereien haben gottlob mit der gemeinsamen Beschulung der Kinder und der Eingemeindung Hausens ihr Ende gefunden.

Die Zehntscheune in Steinfeld, von der heute nur noch die Grundmauern stehen, wurde 1627 vom Kloster Neustadt errichtet. Heute erinnern nur noch die Grundmauern und die originale Bautafel an das historische Gebäude.

Zehnt, Frondienste und Krieg belasteten die Bauern

„Unheimlich schwer belastet mit Abgaben aller Art war die Bauernschaft auch im Amte Steinfeld. Denn die adeligen und sonstigen Grundherren wollten ihren Lehnsträgern, den Bauern, keine Erleichterungen gewähren, um nicht auch noch ihr eigenes Fortkommen zu gefährden“.

Apfelbacher führt ein Beispiel aus Karbach an. „Der Bauer war nicht Eigentümer von Grund und Boden, Gebäuden und Vieh, er war nur eine Art Pächter“. So bildeten in Karbach fünf Häuser „unter dem Namen Fronhof zusammen eine einzige geschlossene Hofriet mit fünf Wohnhäusern und zwei Scheunen sowie 120 Morgen Grundstücken. Grundherr war das Hochstift Würzburg“. Diesem mussten die beliehenen fünf Bauern jährlich neun Malter Korn und fünf Malter Haber als Lehen oder Gült geben. So gab es in Karbach u. a. noch den Juliusspitalhof, den Sickingenschen Freihof oder den Erlenbacher Hof.

Keinem Bauern war es möglich, vom Grund und Boden etwas zu verkaufen. Wollte die Familie nach dem Tod des Bauern auf der Hofriet bleiben, musste die Witwe beim Grundherrn um Neubelehnung bitten. Dafür hatte der Bittsteller als Zeichen der Unterwürfigkeit das „Besthaupt“, das beste Stück Vieh, abzugeben. So holten sich mehrere Grundherrschaften das Jahr über nach der Ernte und um Martini und Fastnacht ihre Gefälle ein. „Es gab nichts zwischen Himmel und Hölle, was nicht mit einer Abgabe belastet war.“

Mehrere Grundherren in einem Dorf

In den anderen Dörfern des Amtes Steinfeld war es ähnlich. So gab es in Steinfeld den Schafhof und den Echterhof, dem früheren

Neustadter Klosterhof. Er wurde auch „Echtersches hohes Haus“ genannt und befand sich nach Barthels vermutlich im Pfarrgarten oberhalb der Zehntscheune. Alte Steinfelder Flurnamen wie „Gräfliche Hofäcker“, „Pfaffenwiese“ und „Fürstenläng“ erinnern noch heute an die Zeit der Grundherren.

Zusätzlich hatten die Bauern den zehnten Teil ihrer Ernten des Getreides, der Rüben, der Kartoffeln und der Baum- und Gartenfrüchte abzugeben. Der Steinfelder Flurname „Hiefenzehnt“ ist Beleg dafür, dass man sogar auf Hagebutten den Zehnt erhob. Die Bauern konnten ihre eigene Ernte nicht eher einfahren, bis sie die Abgaben für die Grundherren in die Zehntscheune gebracht hatten. In Steinfeld war die Zehntscheune ein mächtiger Bau, den schon das Kloster Neustadt 1618 errichten ließ und den später auch die badischen Herren und das Löwensteinische Fürstenhaus nutzten.

Eine Dorfordnung von Steinfeld belegt, dass die Herrschaften die Bauern zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch wie Leibeigene behandelten. Im „Steinfelder Weistum über seine schuldigen Herrenfrohnden„ aus dem Jahr 1813 regelte die badische Herrschaft die Frondienste, die Nutzung von Wald, Weide und Wasser sowie die Besetzung, Zuständigkeit und Strafgewalt des dörflichen Gerichts. Vergleichbare „Dorfordnungen“ liegen unter anderem auch für Greußenheim, Birkenfeld und Karbach vor.

Frondienste auf der Burg Rothenfels

Die lehenspflichtigen Bauern im Amt Steinfeld mussten – „aus ihrer eigenen Arbeit oft unbarmherzig herausgerissen“ – als Frondienste außerdem Reparaturen an der Burg Rothenfels vornehmen, Scheitholz zur Burg bringen, Treiber für die wochenlange Jagd der adeligen Herren abstellen, die Spessartwege unterhalten, die Schlossweinberge auf Rothenfels bebauen, bei der Traubenlese mithelfen und Gespanne für die Fahrten der Herrschaften stellen.

Zusätzlich stark belastet waren die Dorfbewohner damals während der vielen Kriege in der Napoleonischen Zeit durch Kriegssteuern, tagelange Einquartierungen durchziehender Truppen und Abstellung von Soldaten. Zahlreiche Soldaten aus dem badischen Amt Steinfeld, die in Napoleons Armee 1812 am Russlandfeldzug teilnehmen mussten, kehrten nicht mehr zurück.

3 Niemand sollte zu klug werden

Das Bild vom Unterricht in einer Dorfschule um 1850, also rund 40 Jahre nach der hier beschriebenen Zeit, war in einer Sonderausstellung im Schulmuseum in Sendelbach zu sehen. So gut ausgestattet darf man sich die Schulzimmer im Lehrerhaus während der Zeit des badischen Amts freilich nicht vorstellen. FOTO: SCHULMUSEUM

Badisches Amt Steinfeld: Welche Vorgaben die Landesherren den Pfarrern und Lehrern machten, erzählt der dritte Teil unserer Serie. Sogar die Privatkapellen sollten weg.

Vor 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus. Der Grund: Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. Bezirksschulrat Peter Apfelbacher hat über 100 Jahre später über die damalige Zeit geschrieben.

Die badische Regierung war bestrebt, die Ausbreitung der „Ideen der französischen Revolution über Gleichheit und Brüderlichkeit“ zu verhindern und „sich das niedere Volk in respektvoller Entfernung vom Leibe zu halten“. Die (scheinbar) untertänige Gesinnung spiegelt sich im Brief des Steinfelder Lehrers Bernard Seyfried wider, der beim großherzoglich-badischen Kreisdirektorium Wertheim um eine bescheidene Gehaltszulage bittet. Er führt dabei Gründe auf, „die mich zu dieser unterthänigsten Bitte berechtigen und einer höchsten Gnade würdig machen können“. Den Brief schließt er mit der Schlussformel „eines hochlöblichen großherzoglichen Kreisdirektoriums unterthänigster B. Seyfried, Schullehrer in Steinfeld“. Pfarrer Bachmann unterstützte den Lehrer in seinem Gutachten, wohl wissend, dass seine Meinung nicht von Belang ist: „Meine ohnmaßgebliche Meinung wäre daher, dem dermaligen Schullehrer Seyfried eine Zulage von 20 fl ... gnädigst zu bewilligen ... .“ Seyfrieds Antrag wurde abgelehnt.

Die protestantische Regierung von Baden zielte auch darauf ab, den Einfluss der katholischen Geistlichkeit in den Dörfern einzuschränken. So wurden die Geistlichen „in Predigt, Christenlehre, bei Wallgängen, in der Kontrolle des Kirchenstiftungsvermögens“ beaufsichtigt, und kein Geistlicher durfte „ohne Erlaubnis der Regierung ein bischöfliches Ausschreiben verkünden“.

Ab 1809 begann Baden mit der Schließung und dem Abbruch von Privatkapellen. Dies traf zum Beispiel die Ägidi-Kapelle an der Straße Birkenfeld–Karbach. „Weil die badische Regierung auch die uralte Wallfahrtskirche Mariabuchen zu einer Nebenkapelle erklärte, kam über das Kloster eine verhängnisvolle Zeit.“ Ein Jahr zuvor hatte die badische Regierung schon verordnet, dass der bisherige Sonntagsgottesdienst, den der Pfarrer von Steinfeld in Mariabuchen zu halten hatte, eingestellt und auf die beiden Filialkirchen Ansbach und Waldzell verlegt wird.

Bereits 1803 war es dem Kloster untersagt worden, „ohne behördliche Erlaubnis Priester oder Laienbrüder als Mitglieder in die klösterliche Gemeinde aufzunehmen“. So räumte man 1809 die Wallfahrtskirche und „manche Pfarreien waren genötigt, die Wallgänge nach ,der Buchen‘ einzustellen“.

Dennoch ließ sich der Steinfelder Pfarrer Johann Georg Bauch davon nicht einschüchtern. „Angeblich übertrug in einem Privatübereinkommen (...) Pfarrer Bauch den gesamten ,Gottesdienst auf der Wallfahrt Mariabuchen‘ erneut an die dortigen Kapuziner und überließ ihnen die dazu notwendigen Geräte und Paramente.“ Heimatforscher Karl-Josef Barthels Kommentar: „Mögen auch die öffentlichen Wallfahrten in dieser glaubensarmen Zeit der Aufklärung unterbunden worden sein, die Anhänglichkeit der Umwohner von Mariabuchen konnte durch die religionsfeindlichen Maßnahmen der badischen Regierung gewiss nicht beseitigt werden.“

Die Wallfahrtskirche in Mariabuchen
Die Wallfahrtskirche in Mariabuchen. FOTO: ANDREAS BRACHS

Mäßige Züchtigung für Schulschwänzer

In einem Edikt von 1803 legte Baden die Organisation der gemeinen Lehranstalten, der Dorfschulen fest. In den „unteren oder Trivialschulen“ sollte der Schüler das lernen, was „für seinen Lebensberuf als Christ und Staatsbürger zu wissen notwendig ist, ohne ihn jedoch zu einer Geistesentwicklung hinaufzuschrauben, wobei seine Berufsarbeit versäumt oder für ihn unschmackhaft würde“. Mit anderen Worten: Damit die Untertanen nicht zu klug werden und auf dumme Gedanken kommen.

Die Schulen sollten das ganze Jahr über und keinesfalls nur im Winter gehalten werden, da „sonst die Kinder immer im Sommer die Hälfte dessen wieder vergessen, was sie den Winter über gelernt haben“. Kinder, die mutwillig die Schule versäumten, wurden „durch mäßige Züchtigung oder bei Schuld der Eltern durch kleine Geldstrafen (...) oder durch vier- bis vierundzwanzigstündige Einsperrung ins Bürgerhäuslein bestraft“.

Daneben gab es die Sonntagsschulen, die man bis zum zwanzigsten Lebensjahr zu besuchen hatte. Hier waren „unter Aufsicht der weltlichen Vorgesetzten und tunlich unter Mitwirkung der Pfarrer Fortübungen in der Religionskenntnis, im Gesang, im Lesen, Schreiben und Rechnen ...“ zu pflegen.

Verdorbene Studenten als Lehrer

Doch die Schulwirklichkeit sah wohl anders aus, denn die Durchführung dieser Schulordnungen scheiterte laut Apfelbacher „an drei Grundübeln: An einem ungebildeten Lehrerstand, am Mangel an passenden Schulzimmern und Unterrichtsmitteln sowie am Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung“. So lag die Arbeit des Lehrers meist „in den Händen angedungener Handwerker, ausgedienter Soldaten und verdorbener Studenten“. Die Schulkinder „saßen eng eingepfercht mit der Familie des Lehrers beisammen in einem finsteren, niedrigen Raum“ und „unbeschreiblich groß war der Mangel an Lehr- und Lernmitteln“.

Steinfeld bekam zwar schon 1600 unter Fürstbischof Julius Echter seine erste Schule, aber wirklich besser wurde die Raumsituation wohl auch erst mit dem Neubau der Schule im Jahr 1830, die heute noch oberhalb der Kirche steht.

4 Zum Scheitern verurteilt

„In den oberen Localitäten im Stern“ in Karbach unterschrieben die Kommissäre des Königreichs Bayern und des Großherzogtums Baden am 30. Oktober 1819 die endgültige Übergabe des Amtes Steinfeld an das Königreich Bayern. Hier wird am 27. Oktober 2019 eine Gedenktafel angebracht, die an dieses Ereignis erinnern soll. REPRO: JOSEF LAUDENBACHER

Das badische Ländle: Nur 13 Jahre hatte das Großherzoglich-badische Amt Steinfeld Bestand. Der vierte und letzte Teil unserer Serie beschreibt seinen Untergang.

Vor 200 Jahren „brach heller Jubel“ unter den Bewohnern im damaligen Großherzoglich-badischen Amt Steinfeld aus. Der Grund: Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Einwohnern und dem Kloster Mariabuchen wurde 1819 wieder fränkisch und dem Königreich Bayern zugeteilt. Für Chronist Peter Apfelbacher, der seinen Bericht über 100 Jahre später zusammentrug, war das Amt Steinfeld „ein künstliches Gebilde“ und deshalb zum Scheitern verurteilt.

Er schreibt: „Das Amt Steinfeld war zu klein, um sich selbst zu genügen (...). Seine politische, wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Magnetnadel deutete nach Würzburg, nicht aber nach Karlsruhe. Es war ein künstlich aufgepfropftes Reis auf badischem Stamm; seine Lostrennung von Baden und Zurückführung zum Lande Franken ließ sich nicht aufhalten.“ Ein Gutachten des Großherzogtums Würzburg bewertete das Amt in seinem Jahresbericht von 1817/1818 ähnlich: „Nicht minder ungünstig ist die Lage des ganz in baierische Gebiete eingeschlossenen badischen Amtes Steinfeld“. So sei es von seiner Umgebung abhängig, rufe „mancherlei Zwistigkeiten“ hervor und erschwere die Poli zeiverwaltung in den königlichen Ämtern.

Festlicher Akt in Karbach und Rothenfels

Am 20. Juli 1819 beschlossen Österreich und Bayern vertraglich, Baden müsse das Amt Steinfeld zunächst an Österreich, dieses das Amt am gleichen Tag an die Krone Bayern abtreten. Apfelbacher zitiert aus einem Zeitungsbericht: „Am 30. Oktober 1819 geschah in dem Orte Karbach der feierliche Akt der Besitznahme des Amtes Steinfeld durch den bayerischen Kommissär Regierungsdirektor Stumpf (...). Der neuerworbene Distrikt wurde sodann dem Herrschaftsrichter von Rothenfels zugeteilt(...). Auf dem Schloss Rothenfels war gleichfalls ein feierlicher Empfang vorbereitet. Die angesehensten Beamten des Fürsten von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, die Vorstände der Regierungs- und Domänenkanzlei und Geheimen Räte waren anwesend und die Feierlichkeit schloss mit einer reich besetzten Tafel“.

Bei der Feier in Karbach „hatten sich die Ortsvorsteher (Vögte) und Pfarreivorstände zur Pflichtentlassung von Baden und zur Übernahme in den bayerischen Staatsverband einzufinden. „Der Jubel über die Zuteilung des Amtes Steinfeld an Bayern löste in Karbach und wohl auch in den anderen 10 Gemeinden hellen Jubel aus (...). Die Karbacher suchten, ihrer freudigen und hoffnungsvollen Stimmung Ausdruck zu geben durch Veranstaltung einer weltlich-kirchlichen Feier.“

Festzug führte mehrfach durch den Ort

Die Zeitung berichtet weiter von Böllerschüssen und einem „Aufzug der Bürger“, der sich gemeinsam mit badischen Gardisten, die einst die Feldzüge gegen Russland und Frankreich mitgemacht hatten, mehrmals durch das geschmückte Dorf zog. Der eigentliche Übergabeakt mit der Übergabekommission aus Würzburg und Wertheim erfolgte demnach „in den oberen Localitäten im Stern“. Im Weiteren berichtet Apfelbacher, dass am frühen Morgen in der Kirche eine lateinische Messe stattfand, extra komponiert von dem Steinfelder Pfarrer Carl Leim, ehe am Abend im Gasthaus zum Grünen Baum „die Gemeinde wohl etlichen Wein spendierte und wo das tanzlustige Volk sich bayerisch austoben konnte, ohne befürchten zu müssen, die badische Polizeistunde zu überschrei ten.“

Noch 100 Jahre später habe man sich in Karbach erzählt, „wie damals am Übergangstage die in ihrer kleidsamen fränkischen Tracht erschienenen Tänzerinnen ihre hohen kostbaren Bänderhauben abnehmen mussten, um nicht damit an die Decke zu stoßen“. Und die Schulbuben „versuchten, sich in der neuen bayerischen Luft auszutoben, nämlich an den Turmglocken(...). Wegen ungehöriger, über alle Maßen vollzogener Läutung und sonstiger Lumpereien“ sei die kleine Glocke zersprungen.

Hohe Steuern und Schwarzmarkthandel

Der frühere Kreisheimatpfleger Dr. Leonhard Scherg nannte in einem Vortrag über das Badische Amt Steinfeld Gründe für den Jubel der Bewohner über das Ende der Zugehörigkeit zu Baden: Zunächst war die badische Zeit geprägt von den zahllosen Kriegen unter Napoleon, zum anderen waren die jahrhundertealten Verbindungen zum Amt Rothenfels, zu den Nachbargemeinden und Verwandten sowie fränkische Traditionen unterbrochen. Und die hohe Verschuldung des badischen Großherzogtums durch die Unterstützung Napoleons führte zu einer starken Besteuerung der Bewohner, zu Schwarzmarkthandel und Schmuggel.

So gingen die Menschen im ehemaligen Amt Steinfeld laut Apfelbacher „freud- und hoffnungsvoll den kommenden Zeiten“ im Königreich Bayern entgegen und waren in einer „Seelenstimmung, die keine Zaghaftigkeit aufkommen ließ, und dies alles trotz durchlebter harter Tage“.

Am 22. November 1819 wurde das großherzoglich-badische Amt Steinfeld mit dem Untermainkreis vereinigt. Dazu schrieb die königlich- bayerische Untermainkreisregierung in Würzburg in ihrem Jahresbericht „voll Genugtuung“:

„Durch den in diesem Jahre bewirkten Erwerb des badischen Amtes Steinfeld wurde (...) das Gebiet des Königreichs von einer fremdherrischen Inklave gereinigt und ein alter Bestandteil des ehemaligen Fürstentums Würzburg wieder mit dem Mutterlande verschmolzen (...) Das neu erworbene Amt Steinfeld ist ein ackerbauender Bezirk von gesegneter Fruchtbarkeit und fleißigen Kulturen. Alle Anbauarten, Getreide, eine ausgebreitete, durch sehr nachahmungswürdige badische Gesetze begünstigte Obstbaumzucht, der Anbau sehr schönen Flachses und reichlicher Futterkräuter, besonders Klee sind diesem Bezirk eigen, dessen Wohlstand vor allem durch Abstellung aller Überreste ehemaliger Zollabgaben und durch Gleichschaltung in Gesetzgebung und Verfassung mit den übrigen Teilen des Kreises wird befördert werden können“.

Erinnerung an Badisches Amt

Detail im Wappen der Gemeinde Steinfeld

FOTO: MARTIN LOSCHERT

Heute erinnert in der Gemeinde Steinfeld, die dem Amt den Namen gab, ein Detail im Wappen an diese kurze Zeitspanne in der 1200-jährigen Geschichte des Dorfes.

Ein altes Gemeindesiegel aus dem 18. Jahr- hundert mit dem Heiligen Sebastian bildete die Grundlage des Gemeindewappens.

Der Großbuchstabe N aus dem Wappen des Klosters Neustadt erinnert an die Zugehö- rigkeit von Steinfeld zu diesem Kloster.

Der fränkische Rechen bezieht sich auf die bis zum Ende des Alten Reichs 1803 währen- de Landesherrschaft des Hochstifts Würz- burg.

Der goldene Schild mit dem roten Schräg- balken ist das Wappen von Baden und dieses erinnert an die kurze Zugehörigkeit der Ge- meinde Steinfeld bis 1819 zum Großherzog- tum Baden.

Literaturverzeichnis